Wenn das Geld nicht mehr fürs Tier reicht

Quelle: Marbacher und Stuttgarter Zeitung // Autor: Oliver von Schaewen // Foto: Andreas Essig //   Zum Artikel
Dramatisch angestiegen ist die Zahl derer, die um Futter bei der Tiertafel Ludwigsburg/Heilbronn bitten.

WIE KANN MAN HELFEN?

Spenden Geldspenden sind nach Auskunft der Tiertafel hilfreich, damit Tierfutter gekauft oder tierärztliche Behandlungen finanziert werden können. Die Bankdaten sind auf der Internetseite der Tafel zu finden: www.tiertafel-lb-hn.de.

Patenschaft Die Tiertafel vermittelt Patenschaften für einzelne kranke Tiere und deren bedürftige Besitzer. Durch monatliche Zuwendungen können aber auch Medikamente für die sogenannten Notfellchen finan- ziert werden.

Lager Die Tiertafel sucht ein neues Lager, um Nahrungsmittel und anderes Zubehör zur Tierhaltung unterzubringen. Sollte jemand ein Objekt vermitteln oder zur Verfügung stellen können, sollte er Kontakt auf- nehmen unter 0 15 25/ 71 02 55 89. ole

 

Kreis Ludwigsburg. Spritgeld lehnt Jürgen Pony kategorisch ab. Einmal im Monat fährt der 66-Jährige in seinem Privatwagen Futter der Tiertafel Ludwigsburg/Heilbronn aus. Pony startet am Wohnort Oberstenfeld und versorgt Bedürftige, die sich Nahrung für ihr Haustier nicht mehr leisten können. Die 70 Kilometer lange Tour führt von Ilsfeld, Lauffen und Besigheim über Großbottwar und Steinheim zurück ins obere Bottwartal. Daheim in Oberstenfeld sichtet er im Lager auf dem ehemaligen Werzalit-Gelände oft schon am frühen Morgen die Bestände. In jüngster Zeit jedoch mit einiger Sorge.

Denn die Regale im Lager sind längst nicht mehr so voll wie noch vor zwei Jahren. Die Nachfrage habe sich seither verdoppelt, berichtet Bettina Reichel, Vorsitzende des Vereins Tiertafel, der 2019 gegründet wurde und jetzt 48 Mitglieder zählt. Der Krieg in der Ukraine habe auch Haustiere ins Land gebracht. Zudem könnten sich viele Menschen Futter und Tierarztkosten, die im November wegen einer neuer Gebührenordnung explodiert seien, nicht mehr leisten. „Wir treffen auf sehr viel Not“, erzählt Reichel, die von 110 Hunden, Katzen und anderem Getier bei derzeit 67 Haltern spricht.

Die Motivation der Vereinsmitglieder sei ungebrochen, doch bei dem Andrang könnte der Verein mehr Helfer und Spenden vertragen. „Wir sind die einzige Tiertafel in Deutschland, die das Futter bis vor die Haustür anliefert“, sagt Bettina Reichel. Andere Tafeln operierten in größeren Städten – dort holten sich die Bedürftigen Futter und Katzenstreu per ÖPNV am Lager ab. Das klappe bei der Tiertafel für die beiden Landkreise Ludwigsburg und Heilbronn jedoch nicht. „Wir sind viel zu sehr auf der Fläche verteilt, die Menschen können hier nicht vom Land aus zu uns kommen. Sie haben ja auch kein Auto.“ Für einen Hund wiege eine Monatsration beachtliche 30 Kilogramm. Solche Mengen seien nicht einfach zu bewegen.

So geht es derzeit mit fünf Privatautos alle vier Wochen los, bis an die Stadtgrenze von Stuttgart und in Teilorte von Vaihingen an der Enz. Reichten noch vor zwei Jahren pro Tour rund 300 Kilo Futter, sind es inzwischen 500.

Mehr Spenden und auch kleinere Arbeiten im Lager oder für die Webseite des Vereins wären langfristig nötig, erklärt Bettina Reichels Ehemann Sven Scheuermann, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Geldspenden hielten die Hilfe aufrecht, so könnten die Vereinsmitglieder Futter nachkaufen. Wertvoll sei aber auch die Unterstützung eines Tierfutter-Ladens und einer Discounterkette in Ilsfeld. „Dort steht für uns ein Korb, und die Kunden können dort eingekauftes Futter für uns ablegen.“ Tiernahrung, dessen Haltbarkeitsdatum fast oder ganz abgelaufen sei, bekommt der Verein aus dem Handel nicht. „Eine solche Hilfe würde uns aber freuen und weiterhelfen.“

Froh ist die Tiertafel über den Support durch die Backnanger Levkas GmbH, die das alte Lagerhaus auf dem Oberstenfelder Werksgelände für eine „extrem tierliebe“ Miete zur Verfügung stellt, so Scheuermann. Allerdings werde der Verein die Halle wahrscheinlich irgendwann in den nächsten zwei Jahren räumen müssen, da Levkas mit der Gemeinde auf dem Areal das große Neubaugebiet Bottwarwiesen für 1300 Personen errichten wolle. „Wir sind auf der Suche nach einem neuen Lagerhaus, tun uns aber schwer damit.“ Scheuermann, der als Höpfigheimer wie viele andere Vereinsmitglieder im Raum Marbach und Bottwartal wohnt, wäre froh, wenn wieder eine Halle mit einem festen Gemäuer gefunden werden könnte. „Eine Scheune reicht leider nicht, weil wir die Tiernahrung vor Nagern schützen müssen.“

In einzelnen Rathäusern habe der Verein schon auf der Suche nach einer neuen Halle angeklopft, doch habe sich noch nichts ergeben, erzählt Sven Scheuermann, der wie seine Frau bei Bosch arbeitet und erschrocken war zu sehen, wie wenig sich die bedürftigen Menschen wirklich leisten könnten. „Das ist schon schlimm zu hören, dass auf etwas gespart wird, was andere sofort selbst schnell kaufen könnten.“ Einen Missbrauch des Vereinsansinnens schließt Sven Scheuermann weitgehend aus. „Wer zu uns kommt, muss sich outen und seine Vermögensverhältnisse offenlegen.“ Diesen Schritt scheuten sicherlich viele. Wer dennoch komme, meine es ernst: Tiere sollten nicht im Tierheim landen müssen, findet Scheuermann. Es sei schön, wenn Menschen im Haustier weiterhin einen Rückhalt fänden. So hätten auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ihre Lieblinge mitgenommen. „Die Geflüchteten sind untereinander sehr gut vernetzt und kommen vermehrt auf uns zu.“

Zugenommen hat offenbar auch der Bedarf an Spezialnahrung für kranke Tiere. Michaela Kroker, die früher als freigestellte Betriebsrätin bei der Deutschen Post tätig war und an diesem Vormittag ebenfalls im Lager mithilft, staunt: „Eine Packung Trockenfutter für Katzen mit Bauchspeicheldrüsenentzündung kostet 38 Euro. Sonst zahlt man für normale Nahrung etwa sechs Euro.“

Termine

Treffen

Wir treffen uns an jedem 1. Dienstag im Monat ab 19:30 Uhr in der TSG Vereinsgaststätte, Höpfigheimer Str. 56, 71711 Steinheim.
Für mehr Informationen wenden Sie sich bitte an:
info@tiertafel-lb-hn.de